Vorhersage mit Börsenindikatoren

Prognostik mit Börsenindikatoren

Die magische Welt der Börsenindikatoren

Neben Controlling und Volkswirtschaftslehre ist der Aktienmarkt der dritte wirtschaftliche Bereich, in welchem Prognoseindikatoren eine große Rolle spielen. Und da die Spekulantenszene von Mythen, Erfolgsstories und Glücksrittertum lebt, hat sie auch einige recht sonderbare Börsenindikatoren hervorgebracht. So stellte der Aktentaschen-Indikator den Versuch dar, aufgrund der Dicke der Aktentasche von Alan Greenspan bei Sitzungen der US-Notenbank auf seine künftigen Entscheidungen zu schließen. Legendär waren auch die Methoden des erfolgreichen Wall Street Experten Frederick N. Goldsmith. Ihm wurde 1948 gerichtlich untersagt, seine Börsenbriefe weiterhin zu verkaufen, weil sie nicht aufgrund „anerkannter Quellen“ erstellt wurden. Er bekam seine Hinweise von den Geistern Verstorbener und durch die Beobachtung eines populären Zeitungs-Comicstrips. Immer dann, wenn die Hauptfigur Jiggs seine Hand in die rechte Hosentasche steckte, war dies für Goldsmith ein Signal zu kaufen.

Dass man zwangsläufig höchst signifikante Korrelationen zwischen Indikatoren und Börsenkursen finden muss, wenn man nur lange genug Statistiken durchwühlt, zeigt der Super Bowl Indicator. Wenn das Team, welches den Super Bowl gewinnt, zur früheren „National Football League“ gehört, so geht der Dow Jones für das betreffende Jahr nach oben. Stammt die Siegermannschaft hingegen aus der früheren „American Football League“, so zeigt dies ein Fallen des Dow Jones an. Für die dreiundzwanzig Spiele der Jahre 1967 – 1990 traf dieser Indikator einundzwanzig Mal ins Schwarze. Das entspricht einer phänomenalen Erfolgsquote von 91 %. In den letzten Jahren ist diese Korrelation zwar merklich schwächer geworden, sie liegt aber immer noch weit über den Trefferquoten anderer Methoden.

Dafür gibt es drei verschiedene Erklärungsansätze. Manche Börsenmakler glauben, dass es tatsächlich einen mystischen unterirdischen Zusammenhang, ein magisches Analogiegesetz gäbe zwischen der Welt des Football und der Welt der Börse. Eine andere mögliche Erklärung ist, dass viele Investoren ihr Anlageverhalten nach dem Super Bowl Indicator orientieren und dadurch erst den Markt in die angezeigte Richtung treiben. Dagegen spricht jedoch die Tatsache, dass der Super Bowl Indicator seit seiner Entdeckung schwächer und nicht stärker geworden ist. Die dritte und plausibelste Erklärung ist, dass man derartig hochsignifikante Zusammenhänge immer finden muss, wenn man nur genügend Zahlenreihen miteinander vergleicht. Untersucht man beispielsweise zehntausend verschiedene Zahlenreihen, von der alphabetischen Verteilung von Kinofilmen eines Jahres bis hin zur Haarfarbe von Finanzministern, so ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich darunter auch hochsignifikante Korrelationen mit dem Börsengeschehen finden werden. So will es der Zufall. Die Frage ist nur, inwieweit sich derartige Korrelationen dauerhaft zur Prognose eignen oder einfach in Nichts auflösen, sobald man sie längere Zeit verfolgt.

Deshalb muss sich irgendein ersichtlicher Kausalzusammenhang zwischen Indikator und Börsengeschehen konstruieren lassen. Ohne plausible Wirkungstheorie landet der Indikator schnell im Kuriositätenkabinett des Aberglaubens, egal wie gut er sich auch bewähren mag. Ein Beispiel für einen sowohl theoretisch, als auch empirisch fundierten Börsen-Indikator ist das Januar-Barometer. Dieses funktioniert nach dem Prinzip, dass der Marktverlauf des Monats Januar den Marktverlauf des gesamten Jahres anzeigt. Fallen beispielsweise im Januar die Aktienkurse, so werden sie dies auch für den Rest des Jahres tun. Zwischen 1950 und 1985 stimmte dieser Zusammenhang einunddreißig von sechsunddreißig Mal, was einer Trefferquote von fast 90 % entspricht. Erklärt wird diese Korrelation damit, dass seit dem „lame-duck amendment“ zur amerikanischen Verfassung die wichtigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen bereits im Januar getroffen werden und somit das gesamte Jahr prägen. Dennoch haben die letzten Jahre ein deutliches Schwinden dieses Zusammenhangs gebracht. Blind verlassen sollte sich der Börsenspekulant des 21. Jahrhunderts nicht mehr darauf.

Ähnlich funktioniert der Monatseffekt. Darunter versteht man das Phänomen, dass der durchschnittliche Ertrag von steigenden Aktien nur in den letzten Tagen vor Monatsende und in der ersten Hälfte des Kalendermonats positiv ist. In der zweiten Monatshälfte ist er gleich Null. 1963 bis 1981 traf dieser Zusammenhang immer zu. Ähnliche Korrespondenzen gibt es zwischen verschiedenen Wochentagen oder Saisonen und dem Börsenverhalten. Derartige Indikatoren gründen auf zyklisch organisierten Abläufen des Wirtschaftslebens, auf kalenderbasierten Abrechnungszeiträumen und Phasen der Spannung und Entspannung von Produktivität. Sie fallen daher bereits in den Bereich der zeitendeutenden Prognostik.

Einfache Indikatoren wie das Januar-Barometer gehören zum Werkzeugkoffer der „Technischen Analysten“. Diese gehen von der Prämisse aus, dass alle relevanten Informationen zur Prognose von Aktienkursen bereits im Preis enthalten sind. Die Zukunft der Kurse lässt sich insofern aus der Analyse ihres vergangenen Verhaltens ableiten. Weitere Methoden der Finanzanalyse werden uns im Abschnitt über die Deutung künstlicher Zeichen begegnen.

Aktienkurse und das Wurfpfeil-Orakel

Die verschiedenen Methoden der Finanzanalyse sind mit erheblichem Aufwand verbunden. Die Frage ist allerdings, ob dieser Aufwand überhaupt zu einer Verbesserung von Börsenentscheidungen beizutragen vermag. Denn zahlreich sind die Beispiele für gravierende Fehlprognosen renommierter Institute und Börsenbriefe. Gleicht das Auf und Ab der Aktienkurse am Ende gar dem willkürlichen Hin- und Hertorkeln eines Betrunkenen auf dem Nachhauseweg, wie die sogenannte Random-Walk-Theorie behauptet? Kann ein per Zufallsprinzip ausgewähltes Aktienbündel gleich erfolgreich sein wie ein mit ausgefeilten Methoden erstelltes Portfolio?

Um diese Hypothese zu testen, wurden Experimente mit dem Wurfpfeil-Orakel gemacht. Im Juni 1967 warfen Reporter des Forbes-Magazins 28 Wurfpfeile auf den Börsenbericht der New York Times. In die getroffenen Aktien investierten sie jeweils 1.000 Dollar, also insgesamt 28.000 Dollar. Im Jahr 1984 war dieses Paket bereits 131.698 Dollar wert, was einer jährlichen Zuwachsrate von 9,5 % entspricht. Wenige Monate später führte der amerikanische Senator Thomas McIntyre ein ähnliches Experiment durch. Ebenfalls mittels Wurfpfeilen stellte er ein Anlagepaket zusammen, welches zehn Jahre zuvor einen Wert von 10.000 Dollar gehabt hätte. Zur Zeit des Experiments hätte der Wert bereits 25.300 Dollar betragen.

Derartige Zuwachsraten stellten selbst die besten Wertpapierfonds in den Schatten. Inwieweit Depotverwalter und Anlageberater ihre hohen Provisionen mit ihrem Fachwissen rechtfertigen können, ist somit fraglich. Das Wurfpfeil-Orakel mit seiner offensichtlichen Ähnlichkeit zu den magischen Methoden der Zeichendeutung ist den komplexen Instrumenten der Moderne mindestens ebenbürtig.

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Niederwieser, Christof (2016) Prognostik 02: Zeichendeutung, Trossingen: Zukunftsverlag, S. 178ff

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